Zu den berühmten Akteuren der Bibel gehört Petrus. Petrus heißt Fels. Das klingt stabil und verlässlich: „The Rock“. Er könnte ein Superheld sein im Kino, der mit übermenschlicher Kraft der Menschheit bei Gefahr zu Hilfe eilt.
Doch Petrus ist anders. Er ist weder stark noch mutig. Er kann weder fliegen noch mit Röntgenblick durch Mauern schauen.
Nach einem langen Tag zieht Jesus sich zurück. Er braucht seine Ruhe, Zeit für sich und Zeit für Gott, Zeit zum Beten. Hierfür steigt er auf einen Berg. Die Jünger sind ohne ihn. Sie fahren mit dem Boot vor. In der Nacht kommt Jesus nach. Er schreitet über den See. Die Jünger sind voller Furcht. Jesus sagt: „Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!“ Petrus durchfährt eine Portion Übermut. Er sagt: „Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.“ Jesus sagt: „Komm her!“
Was für eine Geschichte. Mit dem Glauben ist es wie mit dem Versuch, über Wasser zu gehen. Petrus geht los, Jesus, dem er vertraut, fest im Blick, und tatsächlich: Es gelingt. Er kann gehen. Doch dann guckt er zu den Seiten und nach unten. Ihm wird klar, was da alles schief gehen kann. Er zögert. Er zweifelt. Er schwankt. Er sinkt ein. Dann findet er wieder Mut, Richtung und Zuversicht – und es gelingt, was eigentlich unmöglich scheint, er schafft die Wegstrecke bis zum Boot.
Im Auswertungsgespräch fällt ein harter Satz. Jesus sagt: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ - „Du Kleingläubiger“ – das geht ins Mark. Noch nicht einmal im Glauben ist Petrus überdurchschnittlich gut. Warum hat Jesus ihn dann erwählt? - Wir können darüber nur spekulieren. Wir wissen es nicht. Jesus baut auf Petrus, obwohl er erhebliche Schwächen hat. Auch wir müssen keine Superhelden sein, damit Jesus heute auf uns baut. Nicht an den Glauben des Petrus glauben wir, sondern an Gott, der ihm in seinem Leben bei mancher Schwankung Halt und Stabilität gegeben hat.
Wie ist das heute? - Unser Leben verändert sich rasant. Vieles, was über Jahrzehnte stabil war, bröckelt. Die Säulen unseres Lebens zeigen Risse. Krieg in Europa. Nun schon so lange. Zuvor hatte eine Pandemie das Leben weltweit zum Stillstand gebracht. Von manchen Folgen haben wir uns bis heute nicht erholt.
Mancher wendet sich von Gott ab - jetzt, wo es schwierig wird. Doch man könnte es auch anders sehen. Und das ist die Erfahrung des Petrus. Glaube hat nicht nur etwas zu tun mit der Beziehung zu Gott und zu Jesus. Glaube findet in der Welt statt. Dort, wo es auch mal starken Wind gibt. Glaube befreit nicht von Gegenwind. Ganz im Gegenteil: Er ist genau für stürmische Zeiten gemacht.
Dr. Stephan Vasel, Superintendent im Kirchenkreis Hameln-Pyrmont