Ein gut besuchtes Münster. Gleich drei aktuelle Angebote zum Thema Digitalisierung. Das alles bot der Kirchenkreis Hameln-Pyrmont zu seinem Jahresempfang am 13. November mit Prof. Dr. Dr. Huber. Der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD und einstige Bischof von Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hatte bereits 2022 eine lesenswerte Ethik der Digitalisierung geschrieben. Um „Menschen, Götter und Maschinen“ drehte sich dann auch alles in seinem Vortrag. Kirchenkreiskantor Stefan Vanselow hatte dazu passend einen mit Chat GPT geschriebenen Choral im Stil von Johann Sebastian Bach geschrieben und vertont. Eine Uraufführung mit der Hamelner Kantorei an der Marktkirche. Jugendliche aus dem Kirchenkreis setzten das Thema mit einer kleinen Aktion fort. Unter Anleitung von Kirchenkreisjugendwartin Silvia Büthe konnte man seinen Tauf- oder Segensspruch zur Hochzeit einer künstlichen Intelligenz vorlegen. Nach dem Motto: „Mal mir dazu ein Bild im Stil von Caspar David Friedrich, Picasso oder Rembrandt“. Das so erstellte Werk erhielten Interessierte dann per E-Mail zugeschickt. „Zwischen Euphorie und Apokalypse erleben wir enorme Veränderungen mit Licht- und Schattenseiten, die unser Leben erheblich verändern. Wie lässt sich das ethisch einordnen? Und gibt es christliche Perspektiven dazu?“ Mit diesen Worten leitete Superintendent Dr. Stephan Vasel den Vortrag von Prof. Dr. Huber ein. „Die Frage lautet: Lässt sich die Digitalisierung noch bändigen – oder gibt es kein Halten mehr“, sagte Altbischof Huber zu Beginn seiner Rede.
Die Moral ist ein Legastheniker des Fortschritts
Eine künstliche Intelligenz wie Chat GPT, die Buchhandlungen mit der Handlung eines Romans verwechsele, sei nicht fehlerfrei, was tröstlich sei. Ihn interessiere der verantwortliche Umgang mit den neuen Möglichkeiten unter dem Moralaspekt. „Die Moral ist ein Legastheniker des Fortschritts. Sie kommt mit der Entwicklung der Möglichkeiten nicht mit“, schränkte Huber ein. Es komme dabei immer auf den Menschen an. „Lassen Sie doch bitte Ihre sensitiven Informationen bei sich und geben Sie Vertrauliches nicht ins Netz“, riet er den Zuhörenden. Die goldene Regel dazu in Kombination mit den zehn Geboten laute: Was Du nicht willst, was man Dir tut, das füge keinem anderen zu."
300 Milliarden Wörter in 95 Sprachen mit einer unvorstellbaren Menge an Wortkombinationen: Das sei die aktuelle Leistungsfähigkeit von Chat GPT. Die Künstliche Intelligenz lerne ständig dazu aus der Auswertung des Wechselspiels zwischen gestellten Fragen und gegebenen Antworten und verbessere so ihre Leistungsfähigkeit. „Daten und Infos gehen in den Besitz der Betreiber über – das wird als selbstverständlich vorausgesetzt“, kritisierte der frühere Bischof. Von üblichen marktwirtschaftlichen Gegebenheiten sei die digitale Welt meilenweit entfernt. Bezahlt werde nicht mit Geld, sondern durch Daten. Nutzer sonnten sich im Gefühl, die Dienstleistung kostenlos erhalten zu haben. Huber verglich dies mit einem Gratis-Café, das alle anderen Cafés abschaffe.
Umsteuerung auf marktwirtschaftliches Konzept
Er plädierte im Umgang mit der Künstlichen Intelligenz für die Umsteuerung auf ein marktwirtschaftliches Konzept mit Leistung und Gegenleistung. „Es ist wichtig, dass diese Fragen in einer Kirche gewürdigt werden – ebenso wie das Jubiläum des Grundgesetzes.“ Damit spielte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende auf die Veranstaltung des Kirchenkreises am 23. Mai zu 75 Jahre Grundgesetz mit dem Amtsgericht Hameln, der Elisabeth-Selbert-Schule und Hamelns Oberbürgermeister Claudio Griese im Münster an.
Informationen von Chatbots gelte es als Mensch auf ein ethisch-moralisches Verhalten zu hinterfragen, gab Huber zu bedenken. „Chat GPT sagt selbst: Menschen sollen ihre Entscheidungen nicht an mich delegieren. Es ist an uns, das zu beantworten.“ Wir als Menschen müssten die Kontrolle darüber behalten, was mit unseren Daten, unserer Zeit und unserer Zukunft geschehe. In diesem Zusammenhang erinnerte Wolfgang Huber an den Philosophen Hans Jonas und das von ihm formulierte Prinzip der Verantwortung. „Es ist die gemeinsame Verantwortung der Menschen: Die Wirkung deiner Handlungen muss verträglich sein für andere.“
Münster verleiht Digitalisierung große Spannung
Dr. Stephan Vasel dankte dem Redner für seinen Vortrag im Münster. „Wir sind hier an einem Ort mit einer enormen Geschichte. Die ältesten Teile dieser Kirche sind mehr als 1200 Jahre alt. Das verleiht einem Thema wie Digitalisierung eine enorme Spannung. Wir haben heute erheblich andere technische Möglichkeiten und Risiken als die Menschen früherer Zeiten. Dennoch ergeben sich Orientierungspunkte aus dem christlichen Glauben, die in biblischer Zeit kaum vorstellbar waren. Dies haben Sie in einer beeindruckenden Schärfe, Frische und Aktualität für uns herausgearbeitet. Ich bin mir sicher: Wir werden uns noch lange sehr dankbar an diesen Abend mit Ihnen erinnern.“
An Stehtischen bei Getränken und Brotkonfekt kamen die Gäste des Abends schnell miteinander ins Gespräch. Namensschilder mit Berufsbezeichnungen luden dazu ein, sein Gegenüber anzusprechen. Am Tisch mit der kleinen Aktion zum Thema Digitalisierung zum eigenen Tauf- oder Segensspruch entstand schnell eine kleine Schlange. Sein Konkurrent war ein Büchertisch unter anderem mit Büchern von Wolfgang Huber. Harald Langguth