Ein Pastor besuchte einmal einen Bauern auf seinem Hof. Der Hof war sauber und ordentlich, den Tieren ging es gut. Sie waren gesund und wohlgenährt. Auf dem Acker wartete eine reiche Ernte. Da sagte der Pastor: „Du weißt schon, wem Du das alles zu verdanken hast?“ „Ja“, antwortete der Bauer. „Gott, der Herr hat mich wahrlich reich beschenkt.“ Doch dann fügte er mit einem Seitenblick auf den frommen Mann hinzu: „Aber Herr Pastor, Sie hätten den Hof mal sehen solle, als der liebe Gott hier noch alleine gewirtschaftet hat.“
Die Bauern schauen mit Sorge in die Zukunft
Eine pfiffige Antwort, und mit Recht ist der Bauer stolz auf seinen Hof! Denn oft haben Generationen an Feldern, Ställen und Häusern gearbeitet. Aber gerade in der letzten Zeit schauen die Bauern mit Sorge in die Zukunft. Die Auflagen werden immer schwerer einzuhalten. Die Preise für ihre Produkte sinken. Viele Bauernhöfe müssen aufgegeben werden. Mir hat eine Bäuerin mal gesagt, was sie für ein Kalb bekommen würde. Raten Sie einmal! 5 Euro… Wie will man da denn gute Landwirtschaft betreiben?
Ich weiß noch genau wie ich Erntedank – ich glaube es war 2021? – auf einem Bauernhof stand und die Landwirte pries. Wie ich wiedergab, welches Lob die Presse auf unsere deutschen Landwirte sänge. Sie würden uns in der Pandemie verlässlich mit Nahrung versorgen! Wie dankbar wir ihnen seien! Kaum 3 Jahre später gingen die Landwirte auf die Straße, um für ihre Existenz zu demonstrieren. Am Anfang hatten sie Unterstützung aus der Bevölkerung. Doch dann nicht mehr und irgendwie sind diese Proteste dann im Sande verlaufen.
Wahnsinn, was Landwirte in der Erntezeit leisten
Ich kenne viele Landwirte. Ich komme ja auch aus einem ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb. Was die Landwirte in den Erntemonaten leisten, ist Wahnsinn! 60 bis 70 Stunden die Woche sind sie unterwegs. Selbst um 2 Uhr nachts sitzen sie noch auf den Maschinen und man sieht sie über die Felder mit Flutlicht fahren. Wir sollten unseren Bauern auch 2024 sehr dankbar sein. Wir haben immer einen gefüllten Kühlschrank. Es gibt keine Mangelware.
Immer wieder werden Stimmen laut, die andere Vorgehensweisen in der Landwirtschaft fordern. Mehr Nachhaltigkeit, mehr Tierwohl, weniger Chemie. Bin ich absolut dafür. Ich persönlich achte auch auf gute biologische Qualität und angemessenes Tierwohl. Aber ich sehe auch die Schwierigkeiten. Für Menschen, die das nötige Kleingeld haben, gibt es solche nachhaltigen, chemiefreien, biologischen Angebote. Gerade auch im Hamelner Umland. Aber viele Menschen kommen mit ihrem Einkommen kaum zurecht. Da ist es gut, dass es die kommerzielle Landwirtschaft gibt. Und ich weiß nicht, ob Sie einen Gemüsegarten haben oder hatten. Dann wissen Sie wie viele Beikräuter es gibt, wie viele Raupen, Wühlmäuse, Pilze, Pflanzenkrankheiten, etc.
Wer viel Geld hat, kann hohe Ansprüche stellen
Zu Hause kann ich zupfen oder mit einem Milchgemisch den Mehltau einsprühen. Ich kann Sardinen in die Mäusegänge legen, jedes von der Kraut- und Braunfäul betroffene Tomatenblatt abschneiden, bevor es die anderen ansteckt. Im Kleinen geht das wunderbar. Aber bei einer Landwirtschaft, die für viele Menschen Nahrung produziert, ist das kaum möglich oder eben wegen des hohen Aufwandes sehr teuer für den Endverbraucher. Ich sage das deshalb, weil ich das Gefühl habe, dass manche das vergessen. Wenn man viel Geld hat, kann man hohe Ansprüche haben. Wenn man wenig Geld hat, ist man am Ende des Tages einfach froh, die Familie ernähren zu können.
Die Bauern wissen, was Gottvertrauen bedeutet
Damit wir eine gute Ernte haben, damit keiner in Deutschland hungern muss, gilt also unsere große Dankbarkeit den Landwirten! Wenn man das so hört, so würde man vielleicht denken, Gott braucht es bei alle dem nicht. Ein wenig so, wie der Bauer es zu dem Pastor sagte. Nur durch Gottes Gnade wächst der Weizen nicht auf dem Felde. Es braucht schon die Arbeit des Bauern. Aber trotzdem sind es gerade die Bauern, die wissen, was es bedeutet, Gottvertrauen zu haben. Denn trotz ihrer guten Arbeit sind sie am Ende des Tages auf Sonnenschein, Regen, Wind angewiesen. Und Hochwasser, Sturm und Hagel können die beste Arbeit zerstören. Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.
Die Bauern wissen vom Segen
Als das Lied „Wir pflügen und wir streuen“ von Matthias Claudius gedichtet wurde, schrieb Immanuel Kant, der aufgeklärte Professor im ostpreußischen Königsberg, ein Buch über eine neue aufgeklärte Weise, von Gott zu reden bzw. von Gott zu schweigen, weil man über Gott kaum etwas Vernünftiges sagen kann. Währenddessen dichtete also Claudius dieses Bauernlied. Im Wandsbecker Boten schreibt Claudius einen Artikel, er nennt ihn: „Paul Erdmanns Fest“. In diesem geht es um das Jubiläum des Bauern, Paul Erdmann. Vornehme Edelleute und Bauern sind eingeladen. Als Paul Erdmann ein Tischgebet spricht, mokieren sich die Edelleute. Aber die Bauern wissen noch was vom Segen. Sie wissen es besser aus Erfahrung, sie wissen, es ist nicht alles machbar. Und so protestieren sie und singen „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn!“ Es ist wie ein Bekenntnis. Und Claudius entfaltet es mit wunderbar zarten Bildern. Das tut sich der Himmel auf und träuft, wenn die Bauern heimgehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Gott wickelt seinen Segen kunstvoll ein, wie ein Geschenk eingewickelt wird, damit es doppelt so schön ist und überrascht. Gott bringt den Segen – wie die Heinzelmännchen von Köln – behände und unbemerkt in Feld und Brot. Gottes Segen geschieht unendlich leise, fast unbemerkt, aber er geschieht. Kann man dieses Lied denn heute noch singen? Der Zweifel ist in aller Munde. Es sind nicht mehr nur die Edelleute, die Kants Schriften gelesen haben. Der Zweifel an Gott hat sich überall einen Weg gesucht.
Gottvertrauen – manchmal hart erkämpft
„Alle gute Gaben kommt her von Gott dem Herrn“. Diese Zeile ist Gottvertrauen pur. Aber sofort schleicht sich der Gedanke ein: Warum habe ich keine guten Gaben in meinem Leben und was ist mit den schlechten Gaben? Dieses Gottvertrauen hat sich Claudius hart erkämpft. Er hat sich hindurchgekämpft durch Traurigkeit und Tod. Bitter hindurchgekämpft z.B. beim Sterben seines Lieblingsbruders Josias. Er und Josias waren sich sehr lieb. Sie spielten als Kinder immer zusammen, wollten gemeinsam in Jena studieren. Dann erkrankten beide an den Pocken. Sie wurden beide todkrank. Aber Matthias überlebte und musste zusehen, wie sein geliebter Bruder daran verstarb. „Alle gute Gabe von Gott? Auch der Tod?“ Matthias Claudius schreibt darüber in seiner Trauerrede. „Du musstest sterben, Josias, so beschloss es der Ewige? Nein, nimmermehr hat der mir meinen Bruder genommen; geben konnte er ihn mir wohl, aber er ist zu gut, ihn meinen brüderlichen Armen wieder zu entreißen! Nein, Gott, nein, Du bestimmtest diesen Tod nicht. Nein, Du bist väterlich gegen mich gesinnt, und wenn es möglich wäre, dass ein Gott weinen könnte, Du weintest, ja Du weintest eine mitleidige Träne!“ „Alle gute Gabe.“ Diesen Satz, dieses Gedicht erkämpfte sich Matthias Claudius schwer. Das hat er nicht einfach so aus dem Ärmel geschüttelt. Am Ende dieses Liedes steht: „Und hofft auf ihn“. Gottvertrauen hat ganz viel mit Hoffen zu tun! „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn!“. Das bedeutet, dass Gott uns Gutes will. Dass er uns gute Gaben geben will. Dass wir eine gute Ernte haben. Sowohl auf dem Teller als auch im Leben.
Wir ernten jeden Tag von Gottes guten Gaben
Manchmal haben wir das Gefühl, alles läuft schief. Da ist nix mit guten Gaben. Da ist es sehr wichtig darauf zu schauen, was gerade gut läuft. Dass wir trotzdem gute Gaben im Leben haben. Wir haben jeden Tag etwas zu essen auf dem Teller, jeden Tag frisches Wasser, was wir nicht lange holen müssen, sondern für das wir nur den Wasserhahn aufdrehen müssen, wir haben ein Dach über dem Kopf, wir haben eine warme Decke, die uns in den Wintermonaten wärmt, wir haben eine Heizung, wir haben Kleidung, die uns wärmt und schmückt, wir haben die Möglichkeit im Alter Unterstützung durch Pflegedienste zu bekommen, wir haben ein Auto oder können die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. In anderen Ländern ist all das, was für uns alltäglich ist, Luxus! Und trotzdem dürfen wir für unsere ganz persönlichen Anliegen auf Gott hoffen. Wir dürfen Zweifel haben und Sorge und Trauer. Und wir dürfen sie Gott hinhalten, damit er sie von uns nimmt. Und wir dürfen darauf hoffen, dass gute Gaben auf uns warten, dass nach schweren Zeiten, gute Zeiten auf uns warten. Wir ernten jeden Tag von Gottes guten Gaben. Manchmal fallen sie uns nicht gleich auf.
Drei Dinge der Dankbarkeit
Ich habe heute eine kleine Hausaufgabe für Sie: Sagen Sie sich jeden Abend drei Dinge, für die Sie Gott an diesem Tag dankbar sind. Vielleicht im stillen Gebet, vielleicht im Gespräch beim Abendbrot. Das beschwingt das Herz, erfreut das Gehirn und stärkt unsere Bindung zu Gott. „Alle guten Gaben kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm dankt und hofft auf ihn!“ Amen.
Pastorin Aggie-Eleanor von Dewitz-Bodman, St. Annen-Kirchengemeinde Wangelist