„Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen!“ Dies erklärte Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dabei hat er Zeit seines Lebens der evangelischen Kirche angehört und sich in der Kirche und bei Kirchentagen immer wieder an Diskussionen beteiligt. Er hat daran festgehalten auch als viele in der evangelischen Kirche seinen politischen Ideen lautstark widersprochen haben. „Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen!“ Gesagt hat er diesen Satz in der aufgeheizten Debatte um die Nachrüstung in Deutschland. Wolfgang Schäuble hat Jahrzehnte später anlässlich seines 80. Geburtstag in Übereinstimmung mit dem politischen Konkurrenten betont: „Die Bergpredigt ist ausdrücklich keine Anleitung für Politik.“ Zwei erfahrene und die bundesdeutsche Gesellschaft prägende Politiker unterschiedlicher Couleur sind sich einig; mit der Bergpredigt könne keine Politik gemacht werden. Vielleicht hat dies auch schon Reichskanzler Otto von Bismarck im vorletzten Jahrhundert gesagt.
Ich habe dieser Ansicht immer innerlich widersprochen. Die Bergpredigt ist und bleibt christliche Grundorientierung für Leben und Handeln. Dann gilt diese Botschaft auch für politisches Engagement? Hat nicht beispielsweise die friedliche Revolution in der früheren DDR gezeigt, dass genau dies möglich ist: Sich beim politischen Handeln an Aussagen der Bergpredigt zu orientieren, um die Gesellschaft zu gestalten – gerade an den Aussagen, die zum Frieden und zur Nächstenliebe aufrufen.
Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beleidigen!
In der Fassung des Evangelisten Lukas ist dies Monatsspruch für den Januar 2025, für den Monat der großen Parteitage und des Wahlkampfs. Dieser Gedanke mag Maßstab sein: Für die Kandidierenden, wie sie mit denen umgehen, die sich auch bewerben. Das kann Maßstab sein: Für all die, die zur Wahl aufgerufen sind. Die Worte Jesu geben tatsächlich keine Anweisung, wie eine einzelne Entscheidung ausfallen kann und ausfallen muss. Aber bei allem, was zu entscheiden ist und damit auch bei der Wahlentscheidung, können alle mit Herz und Verstand darauf achten, was jene, die kandidieren unter Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt der Gesellschaft verstehen. Ein Beispiel ist, wie sie über politisch Andersdenkende urteilen und reden. Wer im Wahlkampf und auf Parteitagen nur andere beschimpft und aburteilt, hat nachher keine Orientierung, wie in der Gesellschaft Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt der Gesellschaft umgesetzt werden kann. So entsteht aus den Worten Jesu eine Grundüberzeugung auch für den Wahlkampf und am Wahltag.
Christof Vetter, Pastor in Aerzen
Für die Internetseite des Kirchenkreises Hameln-Pyrmont